Regress des Haftpflichtversicherers bei Unfallflucht

Regress des Haftpflichtversicherers bei Unfallflucht

Schnell ist es passiert: Beim Einparkvorgang wird ein anderes Fahrzeug touchiert und beschädigt. Der Vorgang wird zwar von Zeugen wahrgenommen, aber eventuell nicht vom Schädiger. Problematisch sind auch Fälle, in denen nicht lange genug am Unfallort gewartet oder nur ein Zettel angebracht oder zunächst weiter gefahren und erst später an die Unfallstelle zurückgekehrt wurde.

Neben den strafrechtlichen Ermittlungen, die gegebenenfalls noch unter Mitwirkung eines Verteidigers zur Einstellung gebracht werden können, stellt sich aber ein weiteres Problem, das leider oftmals übersehen wird: Die Haftpflichtversicherung, die durch den Geschädigten „zur Kasse“ gebeten wurde, wendet sich im Anschluss (und dies kann mehrere Monate später sein) an den Versicherten und nimmt ihn zivilrechtlich in „Regress“. Die Versicherung nimmt Einsicht in die Ermittlungsakte des Strafverfahrens und kann sich so einen vollständigen Überblick verschaffen, aber auch alle Geständnisse etc. zur Kenntnis nehmen. Dieses Zivilverfahren ist vom vorangegangenen Strafverfahren zunächst vollkommen unabhängig.

Spätestens jetzt sollte sich ein im Verkehrs- oder Versicherungsrecht tätiger Rechtsanwalt mit dieser Forderung befassen.

Das Wichtigste:

1. Verstoß gegen Aufklärungsobliegenheiten

Aus den Versicherungsbedingungen, die dem Haftpflichtversicherungsvertrag zugrunde liegen, ergeben sich Verhaltensnormen, die der Versicherungsnehmer einhalten sollte; diese werden Obliegenheiten genannt.

Zur sog. Aufklärungsobliegenheit gehört es unter anderem, nach einem Unfall alles Notwendige zu tun, um den Sachverhalt aufzuklären, die Beweise zu sichern und die Versicherung nicht in ihren Rechten und Pflichten zu beeinträchtigen. Dazu gehört auch das Gebot, keine Unfallflucht zu begehen. Nicht immer, aber grundsätzlich stellt eine strafrechtliche Unfallflucht auch automatisch eine Obliegenheitsverletzung dar. Je nach Versicherungsbedingung kann aber auch eine strafrechtlich noch nicht relevante Handlung schon eine Obliegenheitsverletzung sein. Und hier ist es wichtig, dass der mit der Verteidigung gegen die Unfallflucht befasste Anwalt die Wechselwirkungen kennt und schon im Strafverfahren die Weichen korrekt stellt. Dazu gehört es auch, für den Mandanten positive Beweismittel aktenkundig zu machen. Leider wird hier oftmals nicht genug getan, weil die Ermittlungsbehörde unter Umständen sehr früh „schon mit einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Geldauflage winkt“. Werden aber Zeugen etc. erst in einem späteren zivilrechtlichen Regressverfahren zum ersten Mal präsentiert, leidet nicht selten die Glaubwürdigkeit.

Eine Obliegenheitsverletzung im Falle der Unfallflucht hat in der Regel zur Folge:

Die Versicherung reguliert den Schaden an den Geschädigten. Im Anschluss erklärt sie sich gegenüber dem Versicherten leistungsfrei und fordert von diesem Regress (also quasi Rückzahlung des geleisteten Schadensersatzes). Der Regress ist für einfache Fälle zunächst auf bis zu 2.500 Euro beschränkt. Beispiel: Der an den Geschädigten gezahlte Schaden liegt bei 1.400 Euro, so kann auch nur in dieser Höhe Regress verlangt werden, beträgt der Schaden 3.000 Euro, kann in der Regel nur bis zur Grenze von 2.500 Euro gefordert werden. Hierdurch soll der Versicherte vor dem finanziellen Ruin bewahrt werden, da Verkehrsunfallschäden insbesondere bei Personenschäden schnell in immense Höhen klettern können.

Der Versicherer hat zu beweisen, dass die Obliegenheitsverletzung vorsätzlich erfolgte.

Bei nur grob fahrlässiger Verletzung (für die Unfallflucht kaum denkbar) kommt nicht ohne weiteres der volle Regressbetrag in Betracht, sondern ggf. je nach Umfang des Verschuldens auch nur eine Quote. Hier ist nun zu argumentieren: Ist der Unfall dem Versicherten überhaupt aufgefallen? Konnte er ihm auffallen? Was hat der Versicherte getan, um keine Unfallflucht zu begehen, was hat er zur Sicherung von Beweisen etc. getan? Gibt es Zeugen, Bilder oder sonstige Dokumente?

2. Daneben bleibt nur noch als weitere Möglichkeit eine Art von Gegenbeweis

Vereinfacht gesagt: Die Aufklärungsobliegenheit soll die Interessen der Versicherung an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung des Unfalls, seines Hergangs und seiner Folgen sichern. Wenn aber die Handlung des Versicherten, die zwar die Aufklärungsobliegenheit verletzt, dieses Versicherungsinteresse gar nicht beeinträchtigt haben kann, soll der Versicherte auch nicht in Regress genommen werden dürfen.

Beispiel (vereinfacht): Wenn Sie zu einem Unfall Zeugen hinzurufen, Personalien notieren, Bilder fertigen etc., dann aber doch nicht weiter warten und davon fahren, kann hierin eine Verletzung der Obliegenheit liegen. Da aber alles rund um den Unfall dokumentiert und gesichert wurde, kann der Versicherung nur aus Ihrer verfrühten Weiterfahrt grundsätzlich kein Nachteil entstehen.

Dieser Gegenbeweis ist durch den Versicherten zu führen. Er beinhaltet, dass sich das Verhalten des Versicherten weder auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Versicherung ausgewirkt hat.

3. Der „Gegenbeweis“ kann aber ausgeschlossen werden, wenn die Versicherung beweisen kann, dass der Versicherte arglistig gehandelt hat

Wer mit Arglist handelt, soll die Möglichkeit des Gegenbeweises nicht mehr für sich beanspruchen können. Arglistig handelt nach der Definition grundsätzlich derjenige, der erkannt hat und sich damit abfindet, dass seine Handlung eine Art täuschenden Effekt auf die Versicherung haben wird, sodass diese zu einer bestimmten Entscheidung beeinflusst wird.

Die Entscheidungen der Gerichte sind hier sehr uneinheitlich: Während einige Gerichte meinen, in Fällen der Unfallflucht liege stets Arglist vor (dann wäre Entlastung durch den Gegenbeweis auch stets ausgeschlossen!) haben andere entschieden, dass der Versicherte schon gezielt gegen die Interessen der Versicherung hätte handeln müssen. Die Versicherung trägt die Beweislast für Arglist.

4. Fahren unter Alkohol- oder sonstiger Rauschmitteleinwirkung?

Steht dem Versicherten der Gegenbeweis aber offen, behaupten Versicherungen hier zunehmend, man könne nie ausschließen, dass der Versicherte zum Beispiel unter dem Einfluss von Alkohol oder sonstigen Rauschmitteln gefahren sei, deswegen könne der Versicherte den Gegenbeweis – auch wenn er ihm offen steht – eben quasi nie führen, wenn er ohne Polizei oder eben zu früh die Unfallstelle verlässt. Dieser zu pauschalen Sichtweise sind allerdings bereits einige Gerichte und auch der Bundesgerichtshof entgegengetreten: Ohne jeden greifbaren Anhaltspunkt auf Alkohol- oder sonstige Rauschmitteleinwirkung kann nicht stets von einem Konsum dieser Mittel ausgegangen werden.

Fazit:

Neben den allgemeinen Verhaltensregeln nach einem Unfall sollte bereits bei polizeilichen Ermittlungen zum Thema Unfallflucht ein im Bereich des Verkehrsrechts tätiger Rechtsanwalt aufgesucht werden.

Bei allen Angaben im Strafverfahren ist an einen möglichen späteren Regress der Versicherung zu denken und hierfür bereits Sorge zu tragen, dass die erforderlichen Beweise gesichert sind. Es lässt sich oftmals bereits im Vorfeld eines Regresses, insbesondere durch geschickte Verteidigung vermeiden, dass es überhaupt zu einem Regress kommt.

Zu beachten ist, dass es eine ganze Reihe von Obliegenheiten gibt, deren Verletzung zum Regress führen kann. Hier gilt insbesondere noch,

  • das Fahrzeug nur zum im Versicherungsvertag angegebenen Zweck zu nutzen (bspw. nicht als Taxe),
  • nicht als unberechtigter (ohne Erlaubnis des Berechtigten) das Fahrzeug zu nutzen,
  • nur mit der erforderlichen Fahrerlaubnis das Fahrzeug zu nutzen,
  • nicht im Zustand der Fahruntüchtigkeit zu fahren.